»Was ich tue, erdet mich«

Die Erfolgsgeschichte des Mietregalkonzepts »s’Fachl«


Ausgabe:

04 // Lebenswege

Kategorie:

Zukunftsfähig wirtschaften

Autor/in:

© Bernhard Müller

Roland Huber

ist Geschäftsführer der s’Fachl GmbH

fachl.at


Die berufliche Leidenschaft von Roland Huber: der Aufbau neuer Geschäfts- und Vertriebsstrukturen. Daraus ist in einer Phase der beruflichen Neuorientierung eine ganz neue regionale und nachhaltige Erfolgsstory geworden – das Mietregalsystem ’s Fachl. Mittlerweile hat das Franchise-Unternehmen 28 Standorte in Österreich, Deutschland und der Schweiz.

Bis 2016 arbeitete ich in größeren Unternehmen in Salzburg, Stuttgart und München. Mein Job war es, neue Geschäftsbereiche aufzubauen. Zuletzt passte für mich die Stimmung nicht mehr. Viel Druck. Im Vordergrund stand die Gewinnoptimierung. Das war mir zu wenig. Ich fühlte mich nur mehr wie ein Rädchen im System. Ich dachte, das kann es jetzt mit Anfang 40 nicht gewesen sein. Geld ist nicht alles.

Zweifel hatte ich bei der Gründung nicht, aber Respekt vor der Aufgabe.

Roland Huber

Umbruch. Aufbruch

Ich wollte mich neu orientieren. Etwas Eigenes machen. Ein Kaffeehaus mit einer eigenen Rösterei geisterte mir lange schon durch den Kopf. Dann las ich zufällig in der Presse einen Bericht über das Mietregalkonzept »’s Fachl«, bei dem Verkaufsflächen in Form von Obstkisten vermietet werden. Markus Bauer und Christian Hammer, zwei Wirtschaftsinformatiker, haben dafür ein neues Warenwirtschaftssystem entwickelt, das in Wien am Fleischmarkt auf Anhieb gut funktionierte. 

Ich war von der Idee sofort infiziert und wollte das Konzept unbedingt nach Salzburg bringen. Ich kontaktierte die zwei, wir wurden »Fachl-Partner«. Anfang 2016 eröffnete ich in Salzburg in der Kaigasse mein erstes Geschäft. Das war mein Schritt in die Selbstständigkeit, ein großer Moment für mich nach 20 Jahren als Angestellter. Zweifel hatte ich nicht, aber Respekt vor der Aufgabe. Für mich war es, als ob ich einen sicheren Hafen verlassen würde. Ich sagte mir: »Lieber mein eigener Kapitän auf einem kleinen Segelboot, mit dem ich selbst die Richtung bestimme, als ein Offizier auf einem Kreuzfahrtschiff.« 

Unsere USP ist, dass wir als Fachl selbst nichts verkaufen, sondern uns nur um die einfache und reibungslose Abwicklung kümmern. Für die Kiste zahlt man eine geringe Miete. Dazu kommen zehn Prozent auf jeden getätigten Umsatz. Dafür muss man sich um nichts weiter kümmern. Wir sorgen dafür, dass die Produkte sichtbar sind und übernehmen den Verkauf sowie die gesamte Abrechnung. Online haben die Produzent:innen zu jeder Zeit einen aktuellen Überblick über Daten, Produkte, Verkäufe und mehr. Damit können sie sich auf das Wesentliche konzentrieren: die Herstellung ihrer Produkte.

»Small is beautiful« 

Die Zeit für unser Konzept war günstig. Regionalität und Nachhaltigkeit sind für viele Menschen wieder wichtiger geworden. Man schaut bewusster darauf, wo was herkommt. Handwerk und eine »Do it youself«-Kultur erleben wieder einen Aufschwung. Es gibt bekannte Online-Plattformen wie Etsy, auf denen man seine Produkte verkaufen kann. Wir sind das Pendant dazu »in Präsenz«. Bei uns kann man die Produkte aus den Bereichen Kreativität, Design und Kulinarik in der Hand halten und bekommt einen unmittelbaren Eindruck, wie sie aussehen und gemacht wurden. »Small is beautiful«, wie der Salzburger Ökonom Leopold Kohr sagte. Wir haben aber auch Dienstleistungen wie z. B. einen Kochkurs oder eine Online-Registrierkassen-Lösung im Angebot. Vielfältigkeit auf kleinem Raum.

2018 haben wir auf ein Franchise-System umgestellt, um weiter zu wachsen. Das bringt Vorteile für beide Seiten: Unsere lokalen Partner:innen kennen sich vor Ort besser aus und haben Kontakte zu regionalen Produzent:innen. Wir haben ein Konzept, das funktioniert und bringen das technische Know-how ein.

© Christian Kogler

Mittlerweile gibt es bereits 28 Standorte in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Jeder Standort hat seine eigene Färbung. Dafür sorgt ein Regionalitätsindex: Ein gewisser Anteil des Sortiments, das pro Geschäft etwa 300 »Fachl« umfasst, muss immer aus der Region kommen. Ware von der Stange ist nicht unser Ding. Wir legen Wert darauf, dass die Produkte nachhaltig, regional und selbst produziert sind. 

’s Fachl als ideales Sprungbrett

Ich finde es immer wieder spannend, welche Franchisenehmer:innen – wir nennen sie liebevoll »Fachlmeister:innen« – neu zu uns stoßen. Sie kommen aus ganz unterschiedlichen beruflichen Ecken. Für fast alle ist der Einzelhandel neu. Bei unseren internen Meetings tauschen sich dann z. B. die ehemalige Anwältin, der Manager, die Kindergärtnerin, der Architekt oder der Maschinenbauer aus. Diese bunte Mischung ist extrem bereichernd. Was sie alle vereint ist der Wunsch, sich neu zu erfinden, etwas selbst zu gestalten. 

Ich sehe das Fachl als ideales Sprungbrett in die Selbstständigkeit. Man startet mit einem erprobten Konzept und kann selbst mit dem Sortiment experimentieren und dem Standort einen eigenen Stempel aufdrücken. Wenn geht, helfe ich immer noch beim Einrichten eines neuen Geschäfts. Wir stellen alles zur Verfügung, um gut starten zu können: von der Einrichtung über das Marketing bis hin zu Schulungen. Die monatliche Lizenz für das Franchise-Konzept richtet sich nach der Auslastung der vermieteten Fächer. Damit es möglichst fair für alle ist.

Für die Produzent:innen ist das Fachl ebenfalls ein idealer Einstieg. Für sie ist es ein Testmarkt, auf dem sie ohne Risiko etwas ausprobieren und sehen können, ob ihr Angebot Kund:innen findet. Man benötigt keinen eigenen Laden oder teure Mitarbeiter:innen. Für viele ist das Fachl das Sprungbrett in den Handel.

Nicht wachsen um jeden Preis

Im Moment läuft es gut für uns. Wir sind jetzt auch in Deutschland gut vertreten und suchen weitere Standorte. Ich bin von unserem Konzept überzeugt. Ich will aber nicht um jeden Preis wachsen. Die Unterstützung für jeden einzelnen Standort muss passen. Qualität geht vor Quantität. Das Service, die internen Abläufe. Dann kann unser Netzwerk weiter nachhaltig wachsen.

Ich musste auch einiges lernen, wie immer, wenn man Neuland betritt. Jedes neue Land, in dem wir tätig werden, bringt z. B. Hürden durch das unterschiedliche Steuerrecht. Viel hängt außerdem davon ab, die richtigen Partner:innen zu finden. Um ein »Fachl« erfolgreich zu führen, muss man das richtige Händchen für Sortiment und Marketing haben. Nicht jede:r hat das. Zudem habe ich gesehen, dass die Stadtgröße passen muss. Die Stadt sollte zumindest 100.000 Einwohner:innen haben, damit die Kundenfrequenz stimmt. Der Tourismus alleine bringt nicht den Umsatz. Sogar in Salzburg sind »nur« etwa 30 Prozent unserer Kund:innen Tourist:innen, 70 Prozent sind Einheimische. 

Mein Glück

Wenn ich auf die letzten Jahre zurückschaue, bin ich dankbar, wie gut alles gelaufen ist. Ich konnte das, was ich gerne und gut mache, nämlich Geschäftsbereiche aufbauen, weiterhin machen. Nur anders. Selbst Corona hat uns nicht aus der Bahn geworfen. Meine Arbeit als »Fachl-Meister« empfinde ich als sehr befriedigend. Die Arbeit erdet mich. Sinn in meiner Tätigkeit finden und mir dabei näherkommen: Das ist für mich das Glück der Selbstständigkeit.

Natürlich ist die Verantwortung heute mit den zahlreichen Standorten um vieles größer als am Anfang. Trotzdem stehe ich wenn möglich am Freitag und Samstag in Salzburg immer noch selbst in meinem »Fachl«. Das lass ich mir nicht nehmen. Die Verantwortung für das Geschäft trage ich jedoch nicht mehr. Darum kümmert sich nun meine Tochter Marie. Sie gibt mir das Vertrauen, dass es gut weitergeht.


Titelbild: © Bernhard Müller

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