Transformation zur Nachhaltigkeit

Über die positiven Seiten reden


Ausgabe:

01 // Aufbruch

Kategorie:

Zukunftsfähig wirtschaften

Gesprächspartner:

© Christina Häusler

Fred Luks

hat in Hamburg und Honolulu Volkswirtschaftslehre studiert, ist Nachhaltigkeitsforscher, Publizist und Redner. Er unterstützt Organisationen in Sachen Transformation und lebt in Wien.

fredluks.com


Der Ökonom, Nachhaltigkeitsforscher und Publizist Fred Luks war im Herbst 2021 auf Einladung der Grünen Wirtschaft in Salzburg. Wir haben mit ihm über Hoffnung, die Lust auf Veränderung, Nachhaltigkeitsmanagement und dieBedeutung von Resilienz gesprochen.

Illiberale Nachhaltigkeit ist für mich keine Nachhaltigkeit.

Fred Luks

Coronakrise, Klimakrise, Artensterben: Ist ein hoffnungsvoller Blick in die Zukunft angesichts der aktuellen Lage unangebracht oder gar dumm?

Dass Hoffnung vielen dumm vorkommt, ist heute sicher ein Problem. Wenn Hoffnung dumm erscheint, schreibt der His- toriker Philipp Blom, dann ist es schwer, hoffnungsvoll zu sein. Ich halte Hoffnung aber nicht für dumm, im Gegenteil: Hoffnung ist klug. Sie darf allerdings nicht mit einem naiven Optimismus verwechselt werden. In Anlehnung an den bri- tischen Theoretiker Terry Eagleton halte ich die Unterschei- dung zwischen Hoffnung und Optimismus für sehr wichtig, wenn es um die Diskussion von Zukunftsfragen geht.

Optimist:innen denken ja, auf gut Wienerisch gesagt, dass sich am Ende irgendwie alles ausgeht. Das ist eine faule Denkhaltung, zu der angesichts der Lage wahrlich kein An- lass besteht. Zu Pessimismus aber auch nicht. Der Pessimist ist bekanntlich der einzige Mist, auf dem nichts wächst. Pessimismus als Glaube, dass es sich am Ende sicher nicht ausgehen wird, ist auch »faul«.

Hoffnung ist nicht naiv optimistisch und nicht rettungslos pessimistisch. Sie gibt sich nicht damit zufrieden, wie die Welt ist. Sie istkritisch und skeptisch – und zweifelt, aber verzweifelt nicht. Deswegen finde ich Hoffnung klug. Und wer würde bestreiten, dass wirHoffnung gut gebrauchen können. Auch das spricht für sie: Als Kombination aus Unzufriedenheit mit den Zuständen und der Entschlossen- heit, sich damit nicht abzufinden, hat die Hoffnung etwas Aktivistisches.

Es scheint: Je mehr Appelle, dass es so nicht mehr weitergehen kann, desto mehr halten die Menschen an ihrer jetzigen Lebensweise fest. Wie schaffen wir Lust auf Veränderung?

Ich halte es für essentiell, dass wir mehr über die überaus positiven Seiten einer Transformation zur Nachhaltigkeit sprechen. Gewiss: Wir haben riesengroße Probleme. Allein im ökologischen Bereich kann man mit guten Gründen eingeschüchtert sein, wenn man an Themen wie Klimaer- wärmung oder Artensterben denkt. Ganz sicher geht es bei der Nachhaltigkeit darum, diese und anderenProbleme zu lösen und noch größere Probleme zu verhindern. Aber dieser Fokus auf Katastrophenmanagement ist auf Dauer nicht motivierend.

Deshalb hebt kluge Nachhaltigkeitskommunikation den Beitrag der Transformation für ein gutes Leben hervor. Erneuerbare Energien, mehr vegetarische und vegane Ernährung, qualitätsvolle öffentliche Verkehrsmittel: Das alles dient doch nicht nur dazu, Schlimmes zuverhindern, sondern verbessert ohne Zweifel die Lebensqualität vieler Menschen. Und ökonomisch liegen in diesen Veränderungs- prozessen bekanntlich auch riesengroße Chancen. Natürlich gibt es beim Wandel zur Nachhaltigkeit nicht nur Gewinne- rinnen und Gewinner, und man sollte die Komplexitäten und Interessenkonflikte auch nicht klein reden. Aber betonen sollte man aus meiner Sicht die Chancen, die vor uns liegen.

Sie sagen, es ist ein Paradox: Wollen wir in Zukunft in Freiheit und Frieden leben, müssten wir unsere Lebensweise verteidigen. Gleichzeitig müssten wir eben diese Lebensweise radikal verändern, wenn sie nachhaltig werden soll. Die Quadratur des Kreises?

Die vielzitierte Quadratur des Kreises ist ja ein Problem der Geometrie. Ich denke, die vor uns liegende Herausfor- derungstellt diese mathematische Aufgabe locker in denSchatten. Bei der Nachhaltigkeit ist ja – völlig zurecht – von einer großen Transformation die Rede, die es zu gestalten gilt. Diese Veränderungen auf Feldern wie Ernährung, Mobilität oder Digitalisierung werden vieles bringen, was wir heute nicht kennen. Die Klimakrise verhindern heißt, radikalen Wandel zu organisieren.

Nachhaltigkeit muss dort angesiedelt sein, wo das Kerngeschäft des Unternehmens liegt.

Fred Luks

Gleichzeitig – und darauf spielt ja die Quadratur des Kreises an – muss es aus meiner Sicht gelingen, wichtige Errun- genschaften unserer Gesellschaft zu erhalten. Beispiele: demokratische Entscheidungsprozesse, Meinungsfreiheit, Gewaltenteilung. »Ökodiktatur« ist zwar ein unguter Kampfbegriff – er bringt aber dennoch ein reales Problem auf denBegriff: die Gefahr, dass das Ziel der Nachhaltigkeit gegen die erwähnten Errungenschaften ausgespielt wird.

Das ist kein theoretisches Thema, sondern sehr konkret – nur leider unterschätzt. Nachhaltigkeit muss nach meiner Ansicht ein demokratischer Such- und Lernprozess sein. Noch einmal: Das heißt nicht, dass es in diesem Prozess keinen Streit undkeine Konflikte gibt – im Gegenteil. Aber genau deshalb ist es mir wichtig, den Erhalt von Freiheit und Demokratie so zubetonen. Illiberale Nachhaltigkeit ist für mich keine Nachhaltigkeit.

Wie kann Nachhaltigkeitsmanagement im Unternehmen bzw. bei einem EPU in der Praxis aussehen?

Das hängt am Ende immer davon ab, in welchem Sektor man unterwegs ist. Aber eines gilt aus meiner Sicht immer: Nachhaltigkeit ist da angesiedelt, wo der Zweck oder das vielzitierte Kerngeschäft eines Unternehmens liegt. Echte Nachhaltigkeit entsteht dort, wo man ernsthaft versucht, neben den wirtschaftlichen auch die sozialen und ökologischen Wirkungen des Handelns zu verstehen und zu managen. Was das konkret bedeutet, hängt natürlich vom Geschäftsmodell des EPUs ab. Es macht auch für die Nachhaltigkeit einen Unterschied, ob ich Öko-Mode vertreibe, Computerprogramme schreibe oder andere Unternehmen berate. Aber überall kommt es darauf an, die Wirkung auf Gesellschaft und Umwelt in den Blick zu nehmen – und aktiv zu gestalten. 

Gerade jetzt wird wieder viel von Resilienz gesprochen. Was können sich hier speziell Selbstständige mitnehmen?

Resilienz ist ein großes Thema, dazu ließe sich gerade aus Nachhaltigkeitssicht viel sagen. In der Kürze eines Interviews zwei Punkte: Resilienz hat stets etwas mit einem Puffer zu tun, mit der Verfügbarkeit von überschüssigen Ressourcen sozusagen. Immer höchst effizient am Limit zu fahren, ist ein Risiko. Wir sehen das in der Corona-Krise beim Thema Welthandel: Wenig im Lager zu haben, mag effizient sein – birgt aber ein Risiko, wenn die Sachen mal nicht so laufen wie geplant. Auf Selbstständige übertragen heißt das: nicht alle Zeit und Ressourcen verplanen. Als Selbstständiger weiß ich, dass das theoretisch vernünftig klingt und in der Praxis sehr schwer ist. 😁

Der zweite Punkt: In der sogenannten Ratgeberliteratur gibt es ja unendlich viele Tipps, wie man resilient wird. Das mag alles ganz lustig und oft auch nützlich sein. Als Problem sehe ich, dass Themen wie Überlastung, Stress und Sorgen häufig individualisiert werden. Klar kann ich an meiner eigenen Resilienz arbeiten – aber, um es mal zugespitzt zu sagen: resilient bin ich nie allein. Ich agiere – auch als selbstständig tätiger Mensch – immer in Netzwerken und Zusammenhängen. Dieser Kontext ist für meine Resilienz mindestens so wichtig wie meine Ernährung und mein Zeitmanagement. 

Wie sieht Ihr persönliches »grünes Wirtschaften« aus?

Ich besitze seit über 30 Jahren kein Auto mehr und esse seit einem Vierteljahrhundert kein Fleisch. Wichtiger: Ich kann mich beruflich für die Nachhaltigkeit engagieren. Ich habe das Glück, dass ich mit tollen Menschen zu Themen arbeiten darf, die mich wirklich interessieren und von denen ich glaube, dass sie wichtig für den Zustand der Welt sind. Heikel ist wohl, dass ich auf vielen Hochzeiten tanze und den Anspruch habe, jede Aufgabe in bester Qualität zu bearbeiten. Das ist bisweilen herausfordernd. Gut und achtsam mit Zeit umzugehen, ist wohl ein Lernprozess ohne Ende. Das wissen alle, die unternehmerisch tätig sind.

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