Meine Vision einer inklusiven IT-Zukunft
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Steffie Susser
ist Expertin für User Experience und Geschäftsführerin der Hacker School Österreich gGmbH
Steffi Susser ist als Webentwicklerin und UX-Designerin erfolgreich selbstständig. Ganz glücklich ist sie damit nicht geworden. Aussteigen? Sie hat einen anderen Weg gefunden.
Ich bin in der Nähe von Passau aufgewachsen. Dass ich mit der IT früh in Berührung kam, verdankte ich zwei IT-Lehrerinnen, die mit uns auf spielerische Weise Roboter oder Websites programmiert hatten. Rückblickend sind sie für mich Wegbereiterinnen und echte Role Models gewesen. Sie haben mir gezeigt, dass ich dafür eine Begabung habe, die bisher niemand erkannte. Sie legten mir nahe, später mal etwas mit IT zu machen. Nichtsdestotrotz wusste ich nach der Schule nicht, was ich machen sollte. Für ein Studium war ich zu praktisch veranlagt, für die Matura zu faul.
Programmieren – hacken und Dinge zum Leben erwecken
Ich fand eine Ausbildungsstelle in einer kleinen Werbeagentur und musste dort auch schnell programmieren lernen. Das hat für mich eine völlig neue Welt eröffnet. Es hat mich gereizt, etwas zum Leben zu erwecken, zu gestalten und direkt umzusetzen. Bei einer Schulung lernte ich meine spätere Teamleiterin aus Hamburg kennen. Sie fragte mich, ob ich mir vorstellen könne, nach Hamburg zu wechseln. Ein halbes Jahr hat es gedauert, aber dann entschied ich mich, mein vertrautes Umfeld zu verlassen und diesen Schritt zu machen. Eine große Digital-Agentur in Hamburg reizte mich dann doch. Größere Kunden, interessantere Projekte – aus der niederbayerischen Provinz in die Großstadt.
Ich gebe etwas und bekomme auch etwas zurück: Das Gefühl einen sinnvollen Beitrag zu leisten.
Steffie Susser
Ich blieb zwei Jahre. Die Distanz zu Familie und Bergen war auf Dauer doch zu groß. Ich wechselte zu einem Startup nach München, nachdem ich ein Angebot von einem Headhunter bekommen hatte. Schon damals empfand ich die Gehaltsangebote in der IT-Branche als absurd hoch. Wenn ich vergleiche, was in anderen Branchen bezahlt wird, fühlte sich das für mich ehrlich gesagt noch nie richtig an.
Neuorientierung – anders als gedacht
Ich arbeitete in München als UX-Designerin. User-Experience-Design oder UX-Design befasst sich mit der Analyse, Kreation und Optimierung der Nutzererfahrung. Das Nutzererlebnis umfasst die Emotionen der Userin bzw. des Users bei der Nutzung eines (digitalen) Produkts, z. B. einer Website oder einer App. Diese Erfahrung soll möglichst bequem und intuitiv gestaltet werden. Meine Leidenschaft für gute User Experience blieb bis heute, aber trotzdem hatte ich immer das Gefühl: Da schlummert noch mehr. Ganz erfüllt hatte mich meine Selbstständigkeit noch nicht.
Ich hatte lange Zweifel, ob ich in dieser Welt richtig bin, ob ich da wirklich reinpasse. Ich habe jedoch erkannt, dass es trotzdem meine Welt ist. Ich begeistere mich immer für neue Trends und Technologien, programmiere immer noch gerne was und bin und bleibe im Herzen ein »Techie« durch und durch. Ich möchte bleiben, wo ich bin, und diese immer noch so elitäre IT-Welt verändern. Ich möchte meinen Beitrag leisten, dass diese diverser, offener, bunter wird. Ich möchte Menschen in die Branche bringen, die schon aussortiert wurden oder nie den Gedanken hatten, dass die IT etwas für sie ist. Das betrifft zum einen Frauen, die in der IT weniger vertreten sind, besonders dort, wo es sehr spezifisch und technisch wird. Es gibt immer noch das Bild der Nerds, die den ganzen Tag mit Kapuzen im Keller sitzen und Pizza essen. Es betrifft vor allem auch Jugendliche aus sozial benachteiligten Milieus, die nie die Chance haben, mit der IT-Welt in Berührung zu kommen. Und es betrifft alle jungen Menschen, die nicht das Glück haben, in ihrem Leben solche Wegbereiterinnen, Role Models und Mentorinnen zu haben.
Der Kreis schließt sich – die »Hacker School«
Deshalb engagiere ich mich seit 2019 ehrenamtlich bei der »Hacker School gGmbH« aus Hamburg. Die Hacker School ist eine gemeinnützige Organisation, die digitale Bildung für Kinder und Jugendliche bietet. Sie können dort auf spielerische Weise lernen, wie die digitale Welt funktioniert, wie sie selbst etwas programmieren können und dabei ganz nebenbei wichtige 21st Century Skills wie Kreativität, positive Fehlerkultur und Problemlösekompetenz erlernen. Die Kurse werden in Kooperation mit Unternehmen angeboten, die ihre IT-Profis zur Verfügung stellen, um gemeinsam Kinder für IT zu begeistern. Eines meiner Lieblingsprojekte der Hacker School ist hier die »Girls Hacker School« – Kurse nur für Mädchen und Frauen zwischen elf und 99, die gemeinsam in die Welt der Programmierung eintauchen.
Ich sehe mein Engagement in der Hacker School als Geschenk: Ich gebe etwas und bekomme damit auch etwas zurück: Das Gefühl, über mein Business hinaus einen sinnvollen Beitrag zu leisten. Zugleich mache ich genau das, was ich gut kann und was mir Spaß macht. Für mich schließt sich damit ein Kreis: Als ich jung war, haben mir meine IT-Lehrerinnen einen Weg aufgezeigt, den ich ohne sie nie entdeckt hätte. Sie waren für mich Vorbilder. Heute möchte ich ein Vorbild für Jugendliche sein. Begeisterung für Themen wie Programmieren, Künstliche Intelligenz oder Webdesign wecken und sie ermuntern, ihren eigenen Weg zu gehen.
Was ist eine Hacker School?
Die gemeinnützige Hacker School aus Hamburg wurde vor zehn Jahren gegründet, um Kinder und Jugendliche fürs Programmieren und die Welt der IT zu begeistern. Mit verschiedenen Formaten verfolgen wir unser Ziel, dass jedes Kind – unabhängig von Geschlecht und Herkunft – einmal programmiert haben soll, um die digitale Welt verstehen und mitgestalten zu können. Bei uns geben IT-Expert:innen aus der Wirtschaft ihre Programmierkenntnisse ehrenamtlich an die Jugendlichen weiter und vermitteln IT-Berufsorientierung. 2024 startet die Hacker School auch in Österreich mit ihren Kursangeboten. Gemeinsam mit Partnerunternehmen wollen wir in Österreich bis zum Jahresende noch mindestens 1.000 Kinder mit unseren Kursen erreichen. Hack the world a better place!
Titelbild: © Hacker-School